Therapie bei Vulvodynie

Kann Physiotherapie bi Vulvodynie helfen?

Neuron zur Schmerzverarbeitung bei Vulvodynie

Was ist Vulvodynie und wie wird sie diagnostiziert?

 

Meist langer Weg zur Therapie von Vulvodynie

Bevor Patientinnen physiotherapeutische Behandlung bei Vulvodynie bei mir in Anspruch nehmen haben sie meist bereits einen längeren Weg hinter sich. Sie leiden an Schmerzen im Bereich der Scheide bzw. des Scheideneinganges. Diese Schmerzen können punktuell, oder an verschiedenen Stellen auftreten, sie werden häufig als brennend, stechend oder auch juckend beschrieben. Diese Schmerzen können einen Auslöser haben, oder völlig grundlos auftreten. Manchmal tritt der Schmerz ausschließlich beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) auf, manchmal reicht schon das Tragen von Unterwäsche um ihn auszulösen. Manchmal ist der Schmerz einfach immer da. Die Frauen, die zu mir kommen, waren davor meist bereits bei mehreren Ärzten.

Der Schmerz der sich verselbständigt

Damit  er Arzt oder die Ärztin die Diagnose Vulvodynie stellen kann muss er oder sie sicher gehen, dass nicht ein anderes gesundheitliches Problem vorliegt. Etwa eine Entzündung der Scheide (Vaginitis) durch einen Keim, oder eine Pilzinfektion. Die Diagnosestellung ist schwierig, weil die betroffenen Frauen manchmal tatsächlich in der Vergangenheit Schmerzen aufgrund von Vaginitis oder Pilzinfektion hatten. Und obwohl der auslösende Keim oder Pilz nicht mehr nachweisbar ist, ist der Schmerz geblieben.

Kommt keine Infektion oder andere Ursache in Frage, welche den Schmerz erklären könnte, wird mittels eines Wattestäbchentests die gesamte Vulva Region nach einem bestimmten Schema mit einem Wattestäbchen vom Arzt untersucht. Die Ärztin berührt mit einem Wattestäbchen typische Punkte  zart mit dem Wattestäbchen. Die Patientin beurteilt jedes Auftreten von Schmerz auf einer Skala von 0-10 für den jeweiligen Punkt. Diese Schmerzen auf einen an und für sich schmerzlosen Stimulus nennt man Allodynie, also ein “Sich verselbständigen” des Schmerzes.

Gründe für den sich verselbständigten Schmerz

Für viele Frauen mit der Diagnose Vulvodynie ist es frustrierend,  dass man nicht genau weiß, woher der Schmerz bei Vulvodynie eigentlich kommt.  Oft gibt es in der Krankengeschichte der Patientinnen Ähnlichkeiten. Es können also Einflußfaktoren ausfindig gemacht werden, die zu diesem “Verselbstständigten Schmerz” geführt haben. In der Literatur genannten werden unter anderem: die Einnahme von oralen Verhütungsmitteln, (chronische) Scheideninfektionen, allergische Reaktionen, Anzeichen eines verspannten Beckenbodens (häufige Entleerung, Harndrang, Obstipation, Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung…) usw.

Bekannte Faktoren, die mit Vulvodynie in Verbindung stehen und Schmerz in der Scheidenregion auslösen können sind:

  • Schmerzen im unteren Rücken, die Muskeln, Gefäße und Nerven einengen
  • Hüftschmerzen aufgrund eines gerissenen Labrums
  • traumatische Geburten (damit sind Geburten gemeint, bei denen es zu starken Verletzungen der Mutter kam)
  • lange Fahrradtouren nach denen eine Verletzung des Pudendus Nervs aufgetreten ist
  • genitale, menopausale Symptome

Bei einigen der genannten Faktoren wie etwa den Rückenschmerzen oder der Labrumverletzung spielt das Phänomen des übertragenen Schmerzes eine Rolle. Dabei werden Schmerzen an einem anderen Ort im Körper wahrgenommen, als an dem Ort, an dem die tatsächliche Schädigung oder das Problem auftritt.  Die Nervenbahnen, die die Schmerzsignale vom betroffenen Organ zum Gehirn leiten sind über das Rückenmark mit den Nervenbahnen anderer Körperregionen verbunden. Dadurch kann das Gehirn die Schmerzempfindung an einem anderen Ort interpretieren. Bei der Vulvodynie kommen hierfür die Lendenwirbelsäule und das Hüftgelenk in Frage.

Bei den anderen, bereits genannten Faktoren sind Nervenverletzungen, veränderte Schmerzwahrnehmung oder auch hormonell ausgelöste veränderte Gewebeeigenschaften zumindest ein Mitgrund für die Vulvodynie.

Vielfältige Gründe, vielfältige Symptome

Genauso vielfältig wie die Gründe sind, die zur Entstehung der Vulvodynie führen, genauso vielfältig sind die Symptome, die vorkommen können. Die Patientinnen beschreiben einen brennenden, stechenden Schmerz in der Vulva, auch Juckreiz und Reizungen werden beschrieben, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Schmerzen im Sitzen oder bei bestimmten Aktivitäten, sowie Empfindlichkeit der gesamten Region, die durch Druck oder Berührung verstärkt werden kommen  vor.

Vielfältige Behandlungsansätze

Studien listen nahezu 80 verschiedene Therapie Methoden auf um Vulvodynie zu behandeln. Neben lokalen Betäubungsmitteln wie Lidocain, kommen etwa schmerzstillende Mittel, aber auch den Muskeltonus senkende Präparate und Hormonpräparate zum Einsatz. Neben medikamentösen Therapien in Salben- oder Oraler Form wird auch die Injektion von Botox mit dem Ziel  der Entspannung des Beckenbodens vereinzelt zur Linderung der Symptome eingesetzt. Auch wurde mit Ansätze mittels Akupunktur und Hypnose experimentiert.  Als zentrale Säule der Therapie von Vulvodynie gelten physiotherapeutische Methoden.

Die Rolle der Physiotherapie bei Vulvodynie

Die Physiotherapie spielt eine entscheidende Rolle in der Behandlung von Vulvodynie. Egal welche zugrundeliegende Ursache die Vulvodynie  auch haben mag, ein Schmerzgeschehen in der Region der Vulva geht fast immer mit einer Verspannung des Beckenbodens einher, welcher die Schmerzsituation noch zusätzlich verschlechtert, die Durchblutung in der Region negativ beeinflusst und so die Heilung und Normalisierung der durcheinander geratenen Schmerzverarbeitung stört.

Wie bei jeder anderen Erkrankung speche ich zuerst mit der betroffenen Patientin, verschaffe mir eine Vorstellung vom Krankheitsverlauf und befunde die betroffene Region. Von besonderem Interesse für mich ist etwa wann genau die Schmerzen auftreten, welche Auslöser es gibt etc. In Bezug auf den Beckenboden ist von großem Interesse ob die Patientin ihren Beckenboden überhaupt wahrnimmt und ob sie diesen willentlich anspannen bzw. entspannen kann. Um die Kontrolle des Beckenbodens  zu verbessern, falls die Willkürkontraktion erschwert ist, kann ein Biofeedback- oder TENS Gerät zum Einsatz kommen.

Durch gezielte Beckenbodenübungen können dann Verspannungen im Beckenbereich gelöst werden. Es stehen auch Techniken zur Verfügung,  wie manuelle Therapie, bei der schmerzhafte Punkte in der Muskulatur behandelt werden können.  Die Maßnahmen zielen auf drei Punkte ab. 1. möchte man den Beckenboden entspannen, 2. soll die schmerzhafte Region desensibilisiert werden. Es geht dabei darum die Erfahrung zu machen, dass es auch Reize gibt, die keinen Schmerz auslösen. Manchmal funktioniert dies gut über vibratorische Reize, manchmal kann es auch notwendig sein Dilatatoren zu verwenden. Diese sind spezielle, meist aus Silikon gefertigte Geräte, die in verschiedenen Größen erhältlich sind. Das dritte Ziel ist die Durchblutung in der betroffenen Region zu fördern, was nicht nur die Funktion des Beckenbodens verbessert, sondern auch eventuell zugrunde liegende nervale Schäden verbessert.

Die Behandlung von Vulvodynie erfordert oft einen multidisziplinären Ansatz, der sowohl medikamentöse als auch physiotherapeutische Maßnahmen umfasst. Die Verwendung von Botox und Dilatatoren kann in bestimmten Fällen eine wertvolle Ergänzung zur Therapie sein. Falls Sie von einem Schmerzsyndrom geplagt sind, zögern Sie nicht ärztliche Hilfe zu suchen und sich im Falle einer Vulvodynie Diagnose an eine spezialisierte Physiotherapeutin zu wenden, um bestmögliche Hilfe zu erhalten!

 

Hier zwei Arbeiten zum Thema Therapie von Vulvodynie, von denen man sich gut zu den einzelnen Studien weiter vorarbeiten kann:

Bohm-Starke et al. PAIN Treatment of Provoked Vulvodynia: A Systematic Review. 2022, J Sex Med. 2022 May;19(5):789-808.

Schlaeger et al. Evaluation and Treatment of Vulvodynia: State of the Science. 2023, J Midwifery Womens Health. 2023 Jan;68(1):9-34.

Weitere Informationen zu SpezialistInnen und generell Erkrankungen der Vulva finden Sie hier:

VIVE – Verein Interdisziplinäre Interessensgemeinschaft Vulvaerkrankungen (VIVE e. V.)